Mittwoch der 14.März 1945

Der Angriff

Blockbuster

Blockbuster

Bildquelle: D.J. Irving, G. Karweina - Und Deutschlands Städte starben nicht

Nach dem die amerikanische 8. US Air Force bereits den ganzen Tag in das deutsche Reichsgebiet eingeflogen war, meldete der Luftwaffenführungsstab 1c in den Abendstunden Einflüge mehrerer Verbände der Royal Air Force. Gegen 19:45 Uhr erfasst die Luftabwehr einen weiteren mittelschweren englischen Verband mit ca. 200 Flugzeugen südlich von Metz in Richtung S/O fliegend. Um 20:15 Uhr fliegt die 5. Gruppe der RAF bei Straßburg in das deutsche Reichsgebiet ein. Die von 10 Mosquito geführte Gruppe, mit insgesamt 235 Lancaster- Bombern, fliegt über Freudenstadt südlich an Stuttgart vorbei und dreht dann in eine N/O- Kurs Richtung Crailsheim-Nürnberg-Bayreuth-Plauen-Altenburg. Aus südlicher Richtung kommend greift man gegen 21:33 Uhr - 22:15 Uhr Lützkendorf aus einer Höhe von 3500- 5000m unter starkem Leuchtmitteleinsatz an. Ab 22:10 beginnen die Rückflüge mit S/W- Kurs über Weimar-Schweinfurt-Mannheim Richtung Frankreich. 23:45 Uhr registriert man den letzten Ausflug aus dem Reichsgebiet von dieser Gruppe.
Die 235 Lancaster und 10 Mosquitos werfen insgesamt 2886 Bomben mit einer Gesamttonnage von 1003 t über dem Treibstoffwerk ab. Als Ziel im Werk ist für den Bombenabwurf, laut Briefing, die Generatorgaserzeugung Bau 3a-d anzuvisieren.

Anzahl und Größe der abgeworfenen Bomben

  • 206 x 4000 lbs HC- Bomben

  • 84 x 1000 lbs MC- Bomben

  • 2596 x 500 lbs MC- Bomben

  • 13 x 1000 lbs TI- Bomben

Tagesmeldung des OKW

Flugmeldezentrale

Flugmeldezentrale

Bildquelle: Stöpfgeshoff/ Hallische Nachrichten

In der Tagesmeldung des OKW (Abendmeldung) 14. März 1945 kann man zu Lützkendorf lesen:
"...Lützkendorf: 22.00 Uhr - 22.20 Uhr zahlr. Sprb. Industrieschäden: Wintershall A.G. Hydrierwerk Lützkendorf: Zahlreiche Treffer im Werk. Nach bisherigen Meldungen mittelschwere Schäden an Gebäuden und technischen Anlagen. Großbrand im Tanklager. Wasser- und Stromzufuhr unterbrochen. Werk liegt vorübergehend still. Gebäudeschäden: In den Ortschaften Neumarkt (sic!) und Benndorf schwere Gebäudeschäden. 41 Häuser zerstört, zahlreiche weitere beschädigt. Mehrere Brände. Personenverluste: Bisher 21 Gefallene, 45 Verwundete, noch zahlreiche Verschüttete. Verkehrsschäden: Im Bahnhof Neumark-Bedra leichte Gleis- und Gebäudeschäden. Strecke Mücheln - Merseburg gesperrt...

aus >>Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht 1940-1945<<

Schäden

Zu den Schäden im Treibstoffwerk findet man nur wenige Unterlagen von Seiten des Werkes. Informationsreicher sind hingegen die schriftlichen Aufzeichnungen der Anhaltischen Kohlewerke (AKW). So liest man in einer Zusammenfassung der Fliegerschäden vom 19. März 1945 und im Monatsbericht >>März 1945<< für den Aufsichtsrat der AKW vom 10. April 1945 folgendes über das Ausmaß der Zerstörungen.

WIAG

AK Neumark / Geiseltal um 1940

AK Neumark / Geiseltal um 1940

Schulgebäude vor der Zertörung

Die Hauptlast der Bomben ging im Ostteil des Treibstoffwerkes Lützkendorf nieder und Wintershall wurde mittelschwer getroffen. Dabei wurden die OT Kämmeritz (Krumpa) und Geiselröhlitz (Neumark) in Mitleidenschaft gezogen. Die Schule Neumark, die als Unterkunft für 2 Kompanien des italienischen Baubataillon (IMI) diente, wurde zu 100% zerstört. Weitere Beschädigungen erhielten der Saal der Gastwirtschaft Schumann (Unterkunft für 1 Kompanie des italienischen Baubataillons), Gasthaus Blauschmidt und das alte und neue Barackenlager. In einer weiteren Bemerkung weißt man darauf hin, dass der am 7. Juli 1944 getroffene Europatank vollständig ausgebrannt ist. Weiterführende Angaben zu dieser Bemerkung wurden nicht gemacht.

Kulkwitz

- 10 KV- Leitung Rittergut Stöbnitz
- 30 KV- Leitung Krumpa, welche die Verbindung mit WIAG herstellt
- 10 KV- Leitung im Geiseltal von Krumpa bis Grube Otto Tannenberg

Hauptsächlich Leitungsschäden und Beschädigungen von Masten. Ortsnetz Kämmeritz und Neumark sehr schwere Schäden. Bedra nur leichte Beschädigungen.

AKW

OT Kämmeritz Merseburger Str. 31

OT Kämmeritz Merseburger Str. 31

Bildquelle: Stadt Mücheln

Im Wesentlichen entstanden Schäden vorwiegend an den Wohnhäusern der Gefolgschaft. In den OT Kämmeritz (Krumpa) und Geiselröhlitz (Neumark) wurden 45 Werkswohnungen der AKW zerstört oder schwer beschädigt. Somit waren 45 Familien obdachlos. Eine Vielzahl der Bomben waren mit Zeitzündern ausgestattet, so dass es immer wieder zu nachfolgenden Explosionen kam. Auf dem Werksgelände der Grube Cecilie entstanden durch Spreng- und Minenbomben größere Schäden am Anschlussgleis, sowie am Stapelschuppen 4 und der Bandbrücke. Ein Gefolgschaftsmitglied aus Kämmeritz wurde bei dem Angriff getötet.

Stöbnitz

Rittergut Bach

Rittergut Bach

Bildquelle: Stadt Mücheln

Schwere Bombentreffer in der Grube Pauline und am Westrand von Stöbnitz, wobei das Rittergut stark in Mitleidenschaft gezogen wurde. Zu den schweren Schäden an Wohn- und Wirtschaftsgebäuden, kam der Verlust von 25 Ochsen, 3 Pferden und 600 Zentner Saat hinzu.

Die Fabrikanlagen der Gewerkschaft wurden selbst nicht getroffen, jedoch schlugen im Grubenbetrieb- Ostfeld 500- 600 Bomben und Minen ein. Eine Bemerkung im Monatsbericht sprach von einem "umgegrabenen Grubenfeld". Der Grubenbetrieb war völlig zerstört und musste außer Betrieb genommen werden. So stand der Grube kein Betriebswasser mehr zur Verfügung, da die Wasserleitungen zu 75% beschädigt waren. Weiterhin waren zerstört oder beschädigt:

- 1 Löffelbagger und 1 Tiefbagger zu 100% zerstört
- 1 Hochbagger zu 75 % zerstört
- Kettenbahn und Kettenbahnstation zu 100% zerstört
- Zechenhaus zu 100% zerstört
- Abraum Bahnunterführung zu 100%
- Schlafhaus des Gemeinschaftslager zu 100%
- Kantine und Konsumanstalt zu 100%
- Französischen Gefangenenlager zu 100%
- Ambulanz zu 100%
- Grubenbad zu 75%
- Anschlussgleise zu 75% durch große und tiefe Bombentrichter
- Schwere Beschädigungen in der Werkskolonie, mit zum Teil Totalverlusten an Häusern. Der Umfang ist jedoch sehr hoch, deshalb bedarf es weiteren Prüfungen.
- In der Werkskolonie waren 11 Tote zu beklagen, sowie 2 Personen die in einer Luftschutzstrecke durch Brandgase erstickten.

Adolf- Holst- Schule Mücheln um 1940

Adolf- Holst- Schule Mücheln um 1940

Einen Volltreffer erhielt die Bergberufsschule, die sich in der Nähe zur Lehrwerkstatt der Grube Cecilie befand. Die hier untergebrachten Lehrlinge waren erneut ausgebombt, nachdem das Lehrlingswohnheim bereits bei dem Angriff vom 7. Juli 1944 zerstört wurde. Durch den Bürgermeister der Stadt Mücheln wurde ihnen eine Baracke, auf dem Gelände der Adolf- Holst- Schule, zur Verfügung gestellt.

Laut Monatsbericht der AKW gab es im März 1945 eine erneute Zunahme der Luftkriegstätigkeit im mitteldeutschen Raum. Die Zahl der Fliegeralarme stieg auf 31. Weiterhin wurde 40 mal Kleinalarm ausgegeben.

Fast auf den Tag genau, nur 52 Jahre später, wird vermutlich Eine der 206 abgeworfenen "Blockbuster- Bomben" (4000 lb HC) entschärft.

Mitteldeutsche Zeitung vom 14. März 1997